Kiana – Die Götter in dir

Nachts im Wald

Vor Kurzem kam mir die Idee einer Nachtwanderung. Um Mitternacht, als die meisten Menschen zu Hause waren und es sich gemütlich gemacht hatten oder schon schliefen, begann ich meine Wanderung in den Wiener Wald. Aufgewachsen bin ich in einer ländlichen Gegend, mit vielen Feldern, Wäldern und vor allem – wenig Menschen. Der Wiener Wald lässt sich zwar nicht vergleichen mit den Wäldern aus meiner Heimatgegend, aber er ist zumindest eine gute Alternative. Zur Sicherheit habe ich mir auch eine Taschenlampe mitgenommen.

Es war stockdunkel, der Mond war nur als schmale Sichel am Himmel zu erkennen. Noch spendete die Straßenbeleuchtung Licht, doch schon nach fünfzig Metern in den Wald verlor es sich im Dunkel und ich trat in eine mir fast fremdartige Welt. Wenn man unter Tags im Wald wandert hört man allerlei Natur-Geräusche, aber man tut sich nicht schwer einzuschätzen, woher diese stammen. Im Dunkeln allerdings beginnen diese Geräusche magisch und gefährlich zugleich zu wirken. Als würden Feen, Kobolde und Trolle durch den Wald irren, auch wenn es wahrscheinlich bloß Füchse und andere Tiere handelt. Ich ging ungefähr eine Stunde einen zufälligen Forstweg entlang, nur die Sterne und der schmale Mondstreif spendeten mir Licht. Die Geräusche der Zivilisation waren schon lange verklungen und ich wurde eins mit dem Wald. Zufälligerweise kam ich an eine Lichtung, auf der es etwas heller war, da die Bäume das Licht der Sterne nicht abdunkelten. Ich setze mich auf die Erde und versuchte mich zu entspannen, innerlich als auch äußerlich. Dies war nicht ganz einfach zu Beginn, da mich die ungewohnten Geräusche der Dunkelheit durchaus beunruhigten, doch dann begann ich zu beten und meditieren und vertraute darauf, dass Göttin und Gott mich behüten würden.

Während ich nun im Dunkel saß, begann ich mich mit der Erde und meiner Umgebung zu verbinden. „Noreia – Noreia – Noreia“ schallte es durch meine Gedanken. Obwohl wir zu dieser Göttin eine besonders starke Verbindung haben, ist sie uns kaum bekannt. Noreia war die Landes- und Muttergöttin der Noriker, jenem keltischen Volk, das im heutigen Österreich ihr Stammgebiet hatte. Bereits vor 2500 Jahren beteten die Menschen zu Noreia, baten um gutes Wetter, gute Ernte, Segen, Schutz und allerlei. Nun, 2500 Jahre später, ist sie fast vergessen. Doch sie ist immer präsent. Überall. Wenn wir versuchen mit ihr in Kontakt zu treten, können wir ihre Kraft, ihren Atem und ihren Herzschlag in der Erde, den Pflanzen und dem Wind spüren. Ich konnte die Gegenwart der Göttin so intensiv spüren, als würde sie direkt neben mir stehen. Dann sah ich sie. Wunderschön und weise, gütig und kraftvoll, groß und mit langem Haar. Plötzlich kamen mir unbewusst und spontan die Worte „Ich vermisse dich“ aus dem Mund. Leise hauchte ich diese 3 Worte ein weiteres Mal und Tränen begannen mir aus den Augen zu fließen. Es war als würde ich einen lange verlorenen Teil meiner selbst wieder spüren. Ich empfand Freude wie ein Blinder, der wieder sehen konnte. „Ich habe Angst“, sagte ich noch. „Angst dich zu verlieren, alleine zu sein und mich verloren zu fühlen“. Noreia kniete sich behutsam neben mich auf den Boden, nahm ihre Hand und legte sie auf meine Brust, genau dort wo mein Herz schlug. „Höre und spüre – wir sind nie voneinander getrennt gewesen noch werden wir es je sein“ sprach sie. Danach nahm sie meine Hände, legte sie auf die Erde und sprach „Spüre den Herzschlag des Lebens, fühle den Atem der Ewigkeit, koste das Glück“. Noch mehr Tränen kullerten aus meinen Augen, mein Geist war plötzlich frei – es gab keine selbst auferlegten Schranken mehr. Ich konnte Farben riechen, Düfte sehen, Wind schmecken und das Leben und die Göttlichkeit fühlen. Ich war nun vollkommen eins mit mir, den Göttern und meiner Umgebung. All die Geräusche, die ich zuvor vernommen habe, ließen sich nun einordnen und beruhigten mich, anstatt mir Angst zu machen. Sanft umarmten mich jemand von hinten. Der Gefährte der Göttin, mein Gefährte, Cernunnos, stand hinter mir. Er flüsterte mir zärtlich ins Ohr „Spüre meine göttliche Kraft in dir. Diese Kraft ist auch deine Kraft“. Wie ein ungebändigtes Feuer umschlang es mich. Cernunnos drehte mich zu ihm um und ich sah zu ihm auf, sah ihm Tief in die Augen. Dann schloss ich meine Augen und erwiderte seine Umarmung. Er küsste mich auf die Stirn, die Lippen und meinen Unterleib. Alles um mir löste sich auf und formte sich ständig neu. Als ich nach längerer Zeit wieder die Waldlichtung um mich wahrnahm, sah ich Göttin und Gott nicht mehr, aber ich spürte dennoch Ihre Anwesenheit in mir und allem, das mich Umgab. Vorsichtig stand ich auf und begann mich auf den Rückweg zu machen. Nach einer Stunde erreichte ich die vertraute und doch jetzt sehr ungewohnte Zivilisation erneut. Die Straßenlaternen wirkten unnatürlich hell. Nein – es war der Morgengrauen

This entry was posted on Sonntag, Juni 29th, 2014 at 18:00 and is filed under Glaube. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

2 Responses to “Nachts im Wald”

  1. Tamara
    23:44 on Juni 29th, 2014

    Mein Segen sollst du haben,

    als ich deine Worte gelesen habe. Schauerte es mich und ich fragte mich wieso konnte ich nicht dabei sein. Doch als es mich schüttelte vernahm ich wärme und geborgenheit und ja ich denke deine Texte liessen mein Herz sich öffnen weiter und weiter . Je mehr ich gelesehn habe desto mehr spührte ich diese Wärme. Sie war mir nicht vertraut und doch war sie sehr ja wie soll ich es Formulieren, sie war vollkommen trifft es am besten denke ich und eine zeitlang bildeten sich Die Bilder wie die Göttin und der Gott an deiner Seite waren und mit dir Komunizierten. Es erfüllt mich mit Liebe und Geborgenheit so das ich fast vergass das es nur ein text war den ich gelesen habe. Und dennoch war dieses Gefühl da als wäre ich für ein moment dabei gewesen und es war schön so wie es war…..
    Dann verblassten diese Bilder wieder und mir wurde bewusst das diese worte die du geschrieben hast einiges mehr sind als nur solche. Daher sehne ich mich an diesen ort . Ihn einmal sehen können und all dem Nahe sein was Zählt. Ich hoffe ich werde jemals in diesen genuss kommen um es zu erleben.

    Ganz doll lieben Dank
    Eine gläubige und ergebene
    Tamara

  2. Sina
    0:01 on Juni 30th, 2014

    Vielen Dank liebe Tamara für deine Zeilen. Es freut mich sehr, dass dich mein Erlebnis berührt hat. Natürlich ist es dir auch möglich, eine ähnliche Erfahrung zu machen. Ich werde in naher Zukunft mit einer kleinen Gruppe eine Nachtwanderung unternehmen, nächstes Mal entweder zu einem Voll- oder Schwarzmond. Gerne kannst du dann mit.
    Gott und Göttin sind mit dir.
    Sina

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